Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1706.05.01
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 45/7
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerlibster herr bruder 0002Weil ich däglig geglaubt, der Grav Lecherein werde abgefertigt 0003werden, so hab ich von einer zeit zue andern die 0004beantwortung dero liebsten schreiben vom 28ten februarij, 3ten, 4ten, 11ten merz, 000514ten vnd 18ten dis verschoben. Iezt kombt auch sein abreis 0006so auf ein sturz, das ich es nuhr alles in aller kürze 0007beantworten mueß. Vohrs erst bedanke mich vohr die continuirung 0008dero confidenz vnd bezeugungen dero lieb, welches ich über 0009alles schäze vnd in mein iezigen bedrübten standt mein 0010einziger trost ist vndt hoffe auch, selbiges durch die 0011meinige hinwidrumb zu meritiren. Was etwan vnterlasen 0012wurde, dero Liebden zu dienen, müeste nuhr aus ignoranz vnd inca- 0013pacitet, aber mit aus mangel meines eifer vnd affection 0014geschen sein. Sag dero Liebden auch nochmahlen schuldigen dankh, das sie so 0015generosamente ihr troupen nacher Italien verwilliget
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0016haben vndt bitte verners, deren marsch so vill möglich zu beschleunigen, 0017vndt zu glauben, das meine bede söhn vnd dis ganzes haus dero Liebden ewich wirt 0018verbunden bleiben vndt sich erkantlich erweisen. Der Lecherain wirt 0019dero Liebden berichten, das der erschreklige vndt grausame actus der acht geschen ist. 0020Ich mues bekennen, das mihr die haut geschauert vnd die zeher nit 0021enthalten können in betrachtung, in was vohr vnglükh sich diser 0022herren gestürzt haben, dabey man woll erkennen kan die eitelkeit der 0023welt vndt wie vnbestendig alles ist vndt das alle menschen 0024allen vnglükhen vnterworfen seint vnd zu förchten haben, wan nit die 0025gottlige gnad vohr allem bewahret. Ich bin gleich drauf beim 0026Keiser vnd Keiserin geweßen, welche bede gesacht, das man iezt werde 0027darob sein, damit dero Liebden so woll wegen der ersten curwürde als der 0028Obern Pfalz mögen consolirt werden. Hab auch mit dem Schönborn 0029vnd Sinzendorf dauon geret, welche gahr eifrig sein. Ich bitt allein, 0030dero Liebden wollen die sach nit über eilen vndt zuegeben, das es mit 0031gutter manir vndt so gesche, das es keine händel hernach geben 0032möchte, es wirt der Schönborn so woll den Wißer als Lecherein 0033hierüber völlich informirt haben. Ich bitt, dero Liebden wollen seinen raht 0034volgen, er meint es gewis guett, vndt wollen doch des wegen die 0035troupen nit aufhalten, dero Liebden könen versichert sein, das ich andreiben 0036vndt alles in der welt duen werd, damit dero Liebden aufs eheste 0037möchte consolirt werden. Sage auch dero Liebden schuldigen dankh 0038vohr die continuirende lieb vnd sorg vohr mein sohn, den König, 0039auch wegen seiner vermählung. Ich hoff, vnser bruder Carl, eh 0040er in Tirol gehe, werde sie herbrengen, so kan man
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0041den augenschein zum besten einemmen. Bitte aber nochmahlen, dero Liebden wollen 0042doch zuegeben, das der Hertott möge herumb geschikt werden, 0043mein sohn die satisfaction zu geben, das er die wahl vnter 0044mehren haben möge, auch den Douen mit, vnd wan dero Liebden sonst noch 0045wem vertrauten hetten, dan eben wegen der von Wolfenbüttel seint 0046die conterfait, so ich gesehen, so vnterschidlich, das man nit weis, 0047welches recht geleich siht, mit disen aber währ man sicher, 0048das es geleich sihet. Mein meinung wahr, an dise hoff zu 0049schiken, nemlich Wolfenbüttel, Darmstatt, Mechelburg, vnser brüder Pfilip 0050Wilhelm vnd Carl vndt entlich auch auf Parma, doch ohne einzigs 0051impegno oder das man zu erkennen geb, warum es gesche. 0052Wan sies gleich argwohnen oder den Douuen kennen, so ist nit dran 0053gelegen, man mues halt laugnen stein vnd bein, wie der Schowofel gesacht. 0054Der Pater Denneman ist noch nit drin, gott weis, wan er hinein 0055kombt, vndt vnterdeßen zu warten währ gahr zu lang. 0056Ich bin woll in grösten sorgen wegen meines sohns, weil Barcelona 0057belegert ist, ober drinen oder nit, gott woll ihm beystehen, wan 0058nuhr die flota balt kähm mit den succurs. Dero Liebden könen ihnen 0059einbilden, in was vohr ängsten ich lebe, in dem man so 0060gahr kein nachricht von ihm hatt, ich habe in ganz gott geschenkt, 0061alles gesche nach seinem willen, dan was er duet, ist das beste. 0062Wegen Münster währ es mihr woll vnerhört leid, wan der 0063gutte Bischoff von Osnabrukh solte lähr aus gehn, bitt aber
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0064nochmahlen, vmb gottes willen nit auf den Deütschmeister zu denken, 0065sondren, wan iah mit dem Bischoff vnmochlig wehr, auf ein anders 0066daugliges subjectum, dan einmahl den Deutschmeister sollen dero Liebden suchen 0067zu verheiraten, vndt das balt, dan er auch nit junger wirt 0068vndt ist nit der sterkiste. Vmb gottes willen, wan kein sucession 0069in vnsren haus solt sein, was wehr das erschrekliges, die har stehen 0070mihr gen berg, wan ich daran gedenkh, ich bitt, dero Liebden wollen die sach 0071woll bedenken vnd reif überlegen, mihr auch nit vohrüblen, 0072das es so offenherzig schreib, ist allein aus lieb gegen vnser haus vnd 0073der religion. Ich werd mich, wan dero Liebden mihr werden erlauben, ein 0074mahl vnterstehen, ausfürlich in diser materi zu schreiben, 0075dan ein mahl gahrzu vill daran gelegen ist. Ich danke mein 0076gott, das dero Liebden resoluirt sein, die erbverbrüderung mit Preüßen 0077niemahlen einzugehn, gott sterkh dero Liebden darin, vndt werden dero Liebden den 0078gottligen segen erhalten. Ich hab auch mit dem Lecherein hirüber gerett, 0079auf den ich mich bezihe. Auch wegen des ratiffication des tractat 0080bitt ich, dero Liebden wollens dabey laßen, dan schon die exempla, dah das 0081bem Wollendorf vnd andren also geschen ist, vndt steht 0082ein mahl dem Keiser in disem frey, wen er will expedition 0083machen zu laßen, wie der Lecherein dero Liebden informiren wirt, vnd der 0084Schönborn sich auch weiter nit widersezen duet. Der Sinzendorf 0085ist ganz desolirt, förcht bey dero Liebden in vngnad zu seihn, ich kan doch 0086nit anderst sagen, als das ich ihn gutt findt vohr dero Liebden dienst, 0087wie dero Liebden auch vom Lecherein vernemmen werden. Er dut, was 0088er kan, aber alles kann man halt offt nit, wie man gern wolt,
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0089doch nach vndt nach wirt sich schon was duen laßen. Wegen des Clairmont 0090wirt müeßen mein sohn in Schpanien geschriben werden, vnd kein 0091brif bekombt er von vns weder mihr von ihm, das ist schmerzhafft. 0092Wegen des Fuker, auf das, das dero Liebden dem Pfalzgrauen vohrigs 0093mahl geschriben haben, das sie ihn wolten überlaßen, so hatt der 0094Keiser resoluirt, das er soll zu Insbruk bleiben, das wirt 0095sich iezt schwärlich mehr endren laßen, dan alles schon so eingericht 0096ist. Wegen der römischen sach, so ist zwar nit ohne, das etlige 0097glaubt, es sey ein verstantnus mit dem Nunti Tauia 0098gewest, in sonderheit, weil er die volmacht in henden 0099gehabt vndt nit producirt hatt, es ist aber der Kaiser in 0100disen völlich disinganirt vndt hoffet ich woll, wan ihr Heiligkeit jemandt 0101wurden schiken zu tractiren, das die sachen mochten geschlicht werden. 0102Dies bitt ich aber, dero Liebden wollens bey sich behalten, dan es nuhr mein 0103meinung ist vnd ichs nuhr dero Liebden in vertrauen schreib, werd aber mit dem 0104Keiser verner reden vnd so dan dero Liebden berichten, was sie etwan 0105vnter der handt dorten an die handt geben kunten. Den Nunti von 0106Cöllen betreffent, kan ich dero Liebden in höchsten vertrawen nit verhalten, 0107das so woll der Trautmanstorf, der in in der Schweiz praitirt, 0108als vnser geweste botschaffter von Rohm in vohr zimlich gutt 0109franzosich gehalten haben, also wollen sich dero Liebden einwehig woll informiren. 0110Wegen des Hohenfelt bin dero Liebden obligirt, das sie wollen bedacht sein, wie ihme zu helfen,
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0111ich förcht zwar selber, es werde hart her gehen. Auch hab 0112ich wider ein schreiben vom gutten Bischoff von Rab, welcher 0113vntröstlich ist, bey dero Liebden in vngnaden zu sein. Ich kan ihm 0114einmahl zeichnus geben, das er alzeit die gröste lieb vohr 0115dero Liebden gezeigt hatt. Mein vnmasgeblige meinung wahr, wan 0116dero Liebden ihn möchten zu sich laden vnd sich mit ihm recht 0117expectoriren, damit er sich verantworten könne, er hofft, wolle 0118dero Liebden so klar sein vnschuldt zeigen, das dero Liebden mit ihm wurden zu- 0119friden sein. Ich bekenn, ich hett ein rechte freüdt, wan er bey dero Liebden 0120widerumb in vohrige lieb vnd confidenz angenommen 0121wurde, dan sie mitteinander vill gutts dem publico vnd 0122disem haus duen könten. Leztligen erfrew ich mich, das dero Liebden 0123in die erkantnus des bedrieger Rogier kommen sein, 0124hoffe, mit disen werden dero Liebden gahr den lust zu der blaserei 0125verlihren, doch will ich mit negsten dero Liebden ein prob schiken, die ein 0126gutter bekanter hier gemacht hatt, was dero Liebden dauon halten. Mit 0127disem due mich dero Liebden befehlen vnd werde leben vndt 0128sterben 0129dero Liebden 0130getrewste schwester 0131Eleonora 0132Wien den 1ten maij 1706