Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 08.10.1695
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Geheimes Hausarchiv, Korrespondenzakten 1147
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00018 octobris 95
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0002Durchleüchtiger Cuhrfürst, mein herzallerliebster herr bruder 0003Ich hab dero angenehme schreiben vom 15ten, 21 vndt 29ten 0004passato wohl empfangen vndt allen inhalt woll 0005vernommen. Freüdt mich, das das fridenswerk0006in guetem stant. Was aber des Kinski cores0007pondens betrift, so will ich mich in der sach woll 0008informiren, damit ich hernach dero Liebden alles zueferläßich berichten 0009kan, dis aber weis ich gewis, das er ni 0010chts in Schweden geschriben, was nicht0011mitt vorwissen der alliirten gesan0012ten alhier geschehen, wegen eini0013ges equivalents sol sein meldung gesch0014en sein, das glaub ich nit. Das übrige, was er sol geschr0015iben haben, mag war sein, welches ich doch nit0016weis, imdem er von dero Liebden negotiation nichts0017weis, das er glaubt, es könne zum nesten dur0018ch dise correspondens gericht we
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0019rden. Das macht aber nichts zur sach vndt zeigt0020nur mer das Tiberiusnegotium woll secre 0021tirt ist worden. Was der Hammilton dero Liebden0022bericht hatt, das der Schellerer sol0023wissen, hatt er mihr auch gesacht, es ist aber dis 0024die ganze sach, gleich nach des Kanzler Wiser abre0025is ist von dero Liebden ein brif an den Wiser kommen, 0026bey welchem dero Liebden befohlen, er sol wan ich wolt mir0027in zu lesen geben. So hat er in aufge0028macht, darin ist was in genera hie0029von gestanden, wie sich dero Liebden ohne zweifel noch woll werden 0030zue erinnern wißen. Darauf hatt man sich gestelt, als 0031wan vill darin wehr geweßen, weil ichs nit geleßen, ich habs 0032aber gemacht wie der hat beichten sollen, der sacht, der 0033pfaff wahr auf sein ausholen vndt ich auf mein 0034leüchnen, bey disem ists vndt wirts bestendig verbleiben. 0035Dero Liebden machens nuhr auch so, dan bisweilen stelt man sich, als wan man villeicht0036wüst, damit man etwas innen werde, ich habs bisweilen practizirt.0037Gott geb, was des Pater Wiser negotium wol mag0038abgen vndt das der Doktor gescheider sey, als mihr 0039ist vohrkommen. Hab zwar nuhr einmahl mit ihm gerett, 0040ich hoff balt brif von Coppenhagen zue bekommen. 0041Die bewuste person betreffendt hab ich dem Deütschtmeister 0042wider eifrigst deswegen zuegeschriben, aber noch kein antwort 0043bekommen. Den Don Gaston betreffendt wünsche ich, das 0044dero Liebden noch alle meine brif haben möge, so werden sie daraus 0045sehen, das ich niemahlen anderst geschriben, als das
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0046die sach mit dem Landgrau Görch noch gahr nit 0047aus, in dem sie keine negatiu geben, das sie aber 0048kein pupill, vndt wan sie den Don Gaston wirt nemmen 0049wollen, mihr es nit verhindern werden vndt er es also 0050dorten zu suechen hat. Ist wahr, das mich anfangs geschmerzt, das 0051dero Liebden ein solches secretum aus der sach gemacht haben, 0052habe aber beynebens dero Liebden allezeit bestendig geschriben vndt 0053auch dem Pater Wißer klar gesacht, das vns vohr 0054kein impegniren können, weil mit Prinz Görch noch nit 0055aus, vndt wan bruder Carl ein inclination dort hin gehabt 0056hett, mihr auch zueuohr hetten sehn müßen, den Prinz Görch mit 0057gutten willen dazue zue bringen, das mihr vnsers impegno 0058wehren loß geweßen. Auch ist seinetwegen bey ihr niks noch 0059so starkh angebracht worden, dan ihr Mayestät sich nit 0060wollen in hasard sezen, von ihr ein refus zue bekommen, 0061so hatt man nuhr vnter der handt sondirt vndt sie gahr 0062kein auersion vor ihn gezeigt, sondren so, wan man von disen 0063als von andern gerett, alzeit geantwort, sie gedenkh 0064noch nit zue heiraten, köne ihren gehmahl nit so 0065balt vergeßen, bey disen ists gebliben. Das dero Liebden aber 0066den Grau Kinsky beschuldigen, als hett er disen nit ??
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0067mein ich woll, gescheh ihm vnrecht, dan das ist ein sach, 0068die ihm weder gibt noch nimbt vndt er schwerlich 0069meiner schwegrin was wirt in diser materi sich heraus 0070gelaßen haben. Dero Liebden seindt selber so raisonabel, das 0071sie woll erkennen werden, das weder ihr Mayestät noch ich vns in diser 0072sach nit impegniren können, haben mihrs doch mit 0073Parma auch nit wollen duen, weil mihr midt Modona 0074impegnirt wahren vndt vnser schwester allein die sach 0075ausfüren laßen, bis entlich der Herzoch von Modana selbst 0076nidt allein abgestanden, sondern auch die dispens vrgirt hatt, 0077auch vohr Modana, wan ers begert hette, bey vnser schwegerin 0078niks gedahn hetten. Also hoff, dero Liebden werden mihrs nit vohr übel 0079nemmen, das so offenherzich alles schreib. Mit den Landgraven 0080kan man iezt niks duen, bis er wider aus Schpanien kombt, 0081wan er dort ein guetts glükh macht, dörft sie 0082woll ehender incliniren. Vetter Pfilips betreffendt, wegen seines 0083apanage, können ihr Mayestät iezt niks duen, solten sie es ihme 0084aber weigern oder aufhalten, mues er bey ihr Mayestät durch 0085ein memorial einkommen, alsdan können ihr Mayestät in 0086protegiren wies mit dem Cardinal sehligen geschen. 0087Den reuers, so er geben, mach gahr guett sein, aber ich 0088kan dero Liebden nit verhalten, das mihr gahr nit gefalt,
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0089das ers will secretirt haben, dan es heischt, der mich 0090bekendt vohr den menschen, den werde ich erkennen vohr 0091meinen englen. Er mueß warhafftig alle menschlige 0092respect auf die seiten sezen vndt allein gedenken, 0093sein sehl zue saluiren, die zeitligen respect 0094seint niks, wan er auch was leiden solte, solte 0095er alles nit achten, wan er recht bekert ist. So lang 0096er dise zeitlige absehn hatt, halt ich nit vill drauf, 0097vndt hatt sein bekehrung kein rechtes fondament, 0098so lang man das zeitlige dem ewigen vndt die men- 0099schen gott gleich respectiret. Er hatt ein großen fähler 0100begangen, öffentlich zum nachtmahl zu gehn, also 0101dises in etwas zu ersezen solte er sich nit schewen, 0102der fraw muetter selber zue schreiben, das er den 0103allein sehlichmachenden glauben angenommen. 0104Ihr Mayestät werden aber seiner sich anemmen vndt in ihre 0105protection, 3000 gulden hatt sein agent schon empfangen, 0106ihr Mayestät wollen ihm auch noch 3000 zuelegen, haben ihm auch 0107die winter quartir schon angeschafft vndt werden 0108ihm mit nechstem ein decret schiken, das er so lang
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0109bruder Carl regiment comandirn soll, bis er eins bekombt, 0110mit disem bekombt er auch den rang. Das aber 0111ihr Mayestät positiue ihme das erste regiment sollen 0112verschprechen, kombt ihnen schwehr, weil noch meritirte 0113dah sein vndt man nit weis, was vohr ein casus 0114kommen kan. Indeßen kan ehr sich woll, mein 0115ich, contentiren mitt disen 6000 gulden vndt die quartir, 0116ihr Mayestät werden doch so balt möglich auf ihn 0117bedacht sein. Mit disen due mich dero Liebden befehlen vndt 0118werde sterben 0119dero Liebden 0120getrewste schwester 0121Eleonora 0122Eberstorf den 8ten octobris 1695 0123Mit disen langen brif falt mihr vnmüglich, meiner 0124fraw schwegren zu schreiben, wünsch vill glükh zum 0125bad, das mög balt ein gutten effect bringen.
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01261pagina prima linea quarta ciuatinem 0127daß daß frindeß werck in guten stand. Waß aber 0128deß Kinßki correnspondenz betrifft, so will ich mich in 0129der sachen woll informiren, damit ich hernach ewer Liebden 0130zu uerlessig berichten kan. Dieß aber weiß ich 0131gewiß, daß er nichtß in Schweden geschriben, waß 0132nicht mit vorwissen der allierten gesch gesandten allhier 0133geschehen. Daß wegen einigeß aequiualents solte meldung 0134geschehen sein, glaube ich nit, daß vbrige, waß er solle 0135geschriben haben, mag wahr sein, welcheß ich doch nit waiß, 0136indeme er ein von ewer Liebden negotiation nichtß waiß, das er glaubt, 0137es könne zum negsten durch dise correspondenz gerichtet werden, 0138daß macht aber nichtß zuer sachen, vnd zeigt nur mehr daß 0139Tiberij negotium negotiation wohl secretiert worden. Waß der Hamil- 0140ton ewer Liebden berichtet hat, daß der Schellerer solle wissen, 0141hat er nur auch gesagt, es ist aber dises die ganze sach, gleich 0142nach deß Canzlerß Wiser abraiß ist er von e Ld von ewer 0143Liebden ein briefl an den Wiser komen, bey welchem ewer Liebden 0144befohlen, er solle wan ich wolte, mir ihne zu lesen geben, so hat 0145er ihne auffgemacht, darin ist waß in genere hieuon ge- 0146gestanden, wie ewer Liebden noch wohl zu erinneren wisen. 0147Darauff hat man sich gestelt, alß wan viel darin 0148gewesen, weil ich ihre es nit gelesen, ich habe es aber 0149gemacht, wie der hat gemacht, wie der hat beichten sollen, der 0150pfaff war auff seinem ausholen, vnd ich auff meinem
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0151meinem laugnen, dabey ist es vnd wirt bestendig 0152verbleiben. ewer Liebden machen es nur auch also, bißweiln 0153stelt man sich alß wuste man viel wuste, damit 0154man etwaß innen werde, ich habe es bißweiln 0155practiciert. Gott gebe, daß deß Pater Wißers negotium 0156wohl möge abgehen, vnd daß der Doctor gescheider seye, 0157alß mir mir ist vorkommen, habe zwahr nur einmahl mit ihme 0158geredt, ich hoffe baldt brieff von Coppenhagen zuebekhommen. 0159Die bewusste persohn betreffent, hab ich dem Teütschmaister 0160wider eüfferigist desstwegen zuegeschriben, aber noch khein ant- 0161wohrt bekhommen. Den Don Gastone betreffent, 0162wünsche ich daß ewer Liebden nach noch alle meine brieff haben 0163mögen, so werden sye darauß sehen, daß ich niemahlen anderst 0164geschriben, alß daß die sach mit dem Lanndtgraffen Geörg 0165noch gahr nit auß, indem sye kheine negativ geben, daß 0166sye aber khein puppil, vnd wan sye den Don Gastone wirdt 0167nehmmen wollen, mir eß nit verhinderen wollen, vnd er es also 0168dorten zue suechen, ist wahr, daß mich anfangs geschmertzt, daß 0169ewer Liebden ein solches secretum auß der sach gemacht haben 0170aber beynebenst ewer Liebden allezeit beständig geschriben, vnd 0171auch dem Pater Wiser klahr gesagt, daß vnß vor kheinen impeg- 0172nieren können, weilen mit Prinz Geörg noch nit auß, vnd wan 0173Prinz Carl ein inclination dorthin gehabt hett, wir auch zuevor 0174hetten sehen müesßen, den Prinz Geörg mit gueten willen dazu zue 0175bringen, daß wir vnsers impegno wehren loßgeweßen, auch ist 0176seinetwegen bey ihr noch nichts so starkh angebracht worden, 0177dan ihre Mayestät sich nit wollen in hazard setzen, von ihr ein 0178refus zue bekhomen. So hatt man nur vnter der hanndt sondirt,
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0179vnd sye gahr khein aversion vor ihn gezeigt, sondern so 0180wan man von disen alß vor andern geredt, alzeit geant- 0181wohrtet, sye gedenk noch nit zue heürathen, könne ihren 0182gemahl nit so baldt vergesßen. Bey disem ists geblieben. 0183Daß ewer Liebden aber den Grafen Kinßky beschuldigen, alß hett 0184er disen nit ?, mein ich wohl, geschehe ihm vnrecht, dan daß ist 0185ein sach, die ihm weder gibt noch nimbt, vnd eh er schwehrlich meiner 0186schwägerin waß wirdt in dieser materi sich herauß gelasßen haben. 0187Ewer LIebden seindt selber so raisonabel, daß sie wohl erkhennen 0188werden, daß ihr Mayestät noch ich vnß in diser sach nit impegniren können, 0189haben mirs doch mit Parma auch nit wollen thuen, weil ich mit 0190Modena impegniert wahre vnd vnser schwester allein die sach auß- 0191führen lasßen, biß endtlich der Herzog von Modena solche nit 0192allein abgestanden, sondern auch die dispens urgiert hat, 0193auch der vor Modena, wan ers begehrt hette, bey vnßer schwäge- 0194rin nichts gethan hetten, alßo hoffe, ewer Liebden werden mirs 0195nit vor übel nehmen, daß sooffenherzig alles schreib. Mit 0196dem Landgrafen khan man jetzt nichts thun, biß er wider 0197auß Spanien khombt, wan er dohrt ein guetes glükh macht, 0198dörffte sye wohl ehender incliniren. Vetter Philipps 0199betreffent, wegen seines appanagge, köhnnen ihre Mayestät jetzt nichts 0200thun, solten sye es ihme aber waigeren, oder auffhallten, 0201muß er bey ihrer Mayestät durch ein memorial ein khommen, 0202alßdan können ihr Mayestät ihn protegieren, wie es mit dem 0203Cardinal seeligen geschehen. Den revers, so er geben, mag 0204gahr guet sein, aber ich khan ewer Liebden nit verhallten,
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0205daß mir gahr nit gefallt, daß ers will secretiert haben, 0206dan eß heisst, der mich bekhent vor den menschen 0207den werde ich erkhennen vor meinen engel. Er muß 0208wahrhafftig alle menschliche respect auff die seite setzen 0209vnd allein gedenkhen, sein seel zu saluiren, die zeitliche 0210respect seindt nichts, wan er auch waß leiden sollte, sollte 0211er alles nit achten, wan er recht bekhert ist, so lang er daß 0212zeitliche absehen hat, hallt ich nit vil drauff, vnd 0213hat seine bekherung khein rechtes fundament, so lang man 0214daß zeitliche dem ewigen, vnd die menschen gott gleich re- 0215spectiert. Er hat ein grosßen fehler begangen, offentlich zum 0216nachtmahl zu gehen, also dieses in etwas zu ersezen, solte 0217er sich nit schewen, der fraw mutter selber zu schreiben, daß er den 0218allein seeligmachenden glauben anzunehmmen. Ihr Mayestät 0219werden aber seiner sich annehmmen, vnd in ihrer protection, 02203000 Gulden hat sein agent schon empfangen, ewer Liebden wollen ihm 0221auch noch 3000 zuelegen, haben ihm auch die winterquartir 0222schon angeschafft, vnd werden ihm mit nechsten ein decret schikhen, 0223daß er solang P bruder Carls regiment commandiren soll, 0224biß er eines bekhombt, mit diesem bekhombt er auch den 0225rang. Daß aber ihre Mayestät positivè ihm daß erste 0226regiment solle versprechen, khomb ihro Mayestät schwehr, weil 0227noch meritirte dah sein vnd man nicht weiß, waß vor 0228ein casus khommen khan. Indessen khan er sich wohl, meine 0229ich, contentiren mit diesen 6000 Gulden vnd die quartier, 0230ihr Mayestät werden doch so baldt möglich auff ihn bedacht 0231sein. Mit diesem thue mich ewer Liebden befehlen, vnd werde 0232sterben 0233Eberßdorff den 8ten octobris 95 0234Mit diesem langen brieff fallt mir vnmöglich meiner fraw schwägerin 0235zuschreiben wünsch wohl glükh zum badt, daß mög baldt ein gueten 0236effect bringen.