Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Favorita am 1693.08.16
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Geheimes Hausarchiv, Korrespondenzakten 1147
Ausfertigungeigenhändig
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000116 august 930002Durchleüchtiger Cuhrfürst, mein herzallerliebster herr brueder 0003Ich bin dero Liebden höchstens obligirt für die parte, so sie nemmen 0004in meiner gesuntheit, vnd die sorch, das sie vohr mich 0005dragen. Wan ich nuhr gelegenheit hette, darbey dero Liebden meine 0006bestendige affection vnd dankhbarkeit zu erweisen, wehre 0007es mein gröste consolation. Freüdt mich auch über alles, 0008das dero Liebden sich widerumb ganz restituirt in vohriger gesuntheit 0009befinden, dabey der almechtige dieselbe bestendigst erhalten 0010wolle. Die bewuste materi des Doktor betreffent, so hett ich nit 0011gehofft, das alles so platt auf mich wurd geworfen werden, 0012dan ich glaubt, dero Liebden hetten woll entschuldigungen finden können 0013one dis, wie ich dan auch dero Liebden allzeit hab entschuldigt. 0014Weil aber dies sach schon geschen, mueß ich sehn, wie 0015ich mich, ohne neben die warheit zue schpaziren 0016vnd ohne einige schuldt auf dero Liebden zu brengen, heraus
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0017heraus schwez, aber, mein herzlieber herr bruder, mihr müeßen in diser 0018sach woll die concerto gehen, sonst werden mihr die supen 0019gahr verschütten. Also due ich dero Liebden berichten das, was ich ver- 0020mein in diser sachen zue duen, damit mihr alle bede 0021gleichwoll nit in vnserer geliebsten mutter vngenadt 0022kommen vnd die sachen gleich woll geh, wie sie soll. Aber 0023dero Liebden müeßen mich secondiren, des ist confirmiren, was ich werde 0024duen, vnd wan ihnen von ihr Durchlaucht fraw mutter aus einige neüe zue- 0025muetung oder frag zuekommen wirt, sich vohr an 0026mit mihr verstehn, wie darauf zu antworten, 0027damit mit nit ich eins vndt dero Liebden ein anders schreibe, 0028sondren alles aus einem mundt gehe. Ich bitt auch 0029vmb gotteswillen, das was ich einmahl concepirt, 0030was der Doktor hatt schreiben sollen, mihr widerumb zu 0031schiken oder gewiß zu verbrennen, damits iah nit 0032auskomme, sonst kem ich gahr in vngenadt. 0033Also weil bruder Allexander sich der sachen so starkh an- 0034nimbt (welcher mihr eben solche prophetische brif als wie 0035dero Liebden geschriben), so hab ich meine geliebste fraw mutter proponirt, 0036das sie ihn solle laßen herunter kommen, so 0037wolle ich mit ihm überlegen, wie dero Liebden die sachen
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0038könte zumb besten eingericht werden. Auch auf das, so 0039sie mihr schreibt, das dero Liebden die schuldt auf mich werfen, 0040so hab ich niks geantwort, als das sich in diser materi 0041der feder nit trauwen lies, sondern wan der Bischoff kommen 0042werde, wolle alles mit ihm abreden. Auf dises werde 0043ich also antworten, das es zwar wahr sey vnd ich 0044bekennen müeße, das ich anfangs des Doktor gefangenschafft 0045dero Liebden immer geschriben, das beßer wehr, das er weiter 0046gefürt wurde, woh man nit wiße, woh er hinkommen, 0047damit, wie man sacht, aus den augen, aus dem sinn, 0048die leütt, in dem sie ihn nit mehr wißen mitt mehr 0049von ihm möchten reden. Nachgehns aber, wie ich gehört, 0050das ihr Durchlaucht her werden kommen vnd ich gesehn, 0051das er noch immer dort, hett ich mit ihr Durchlaucht 0052selber daruon reden wollen, in deßen aber hetten dero Liebden, weil 0053sie anfangs, wie ichs geschriben, villeicht die gelegenheit nit 0054gehabt hetten, in transportirn zu laßen, erst solches in 0055der zeit wehre geschen, zuefohr, eh ich meine gedanken 0056hette können ins werkh stellen, dero Liebden zu schreiben, das sie es ver- 0057schiben sollen. Das ich aber nit wiße, woh er ist, sey war, 0058dan ichs nie hab wißen wollen. Das aber hette ich dero Liebden
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0059allezeit gebetten, zweifelte auch nit, das sie es werden 0060gedahn haben, das er woll möge tractirt werden, ihm 0061weder an eßen noch kleider niks möge abgehn. 0062Indeßen wehren dero Liebden vnd ich stehts bedacht gewesen, 0063wie man die sachen kunt ein richten, das man mitt 0064allerseits reputation heraus komme vnd kein anders 0065gefunden, als zu sagen, man köne nit sagen, woh er 0066ist oder wehniger in loß laßen, bis es fridt 0067were, alsdan obwollen dise argwohn, so man gehabt, nicht 0068allerdings gegründet, so brings doch die politica 0069mit sich, ihn bis dorthin sizen zu laßen, dan er als 0070ein man, der vill schwezt vnd izt wegen der gefangen- 0071schafft exacerbirt, erst etwas schäd ligers vohrnemen 0072möchte, mit disem werden die leütt glauben, sey 0073andre vhrsachen, als was sie bis dahto aus geschwezt. 0074Bitte, wan über dises einige frag an dero Lieben kombt, 0075wollens doch confirmiren, dan ist alles wahr, das 0076man vhrsach, in bis dorthin vnd lenger nit los zu laßen, 0077nit das man ihn was solches zeien soll, aber man 0078last die leüt glauben, was sie selber wollen. 0079Vnterdeßen aber, bis der Bischoff wirt her kommen,
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0080wollen dero Liebden nuhr auf alles fragen und anbringen antworten, 0081sie hetten von mihr vernommen, das der Bischoff von Augschpurg werde 0082her kommen, vnd ich alles in diser materi mit 0083ihm überlegen werden. So, vermeineten sie, solle man 0084bis dorthin alles in statu quo laßen, zu zweifllen 0085nit, mihr wurden hir alles zue ihr Durchlaucht satisfaction 0086einrichten, welches ich auch im gleichen hab geschrieben. 0087Was des Konigs heirat angeht, wan man kein cattolische 0088würdt finden, wörd man freilich auch auf dise reflectirn. 0089Es meinen aber die meisten, man soll die sachen noch 0090zuerzeit in suspenso halten, ist ohne dem noch etlige 0091iahr hinn bis er wirt können in disen stant tretten. Mit 0092dem bleiben alle in hoffnung, vnd befleist sich ein 0093ieder woll sich zue erzeigen. Man hatt dise dag gesacht, 0094die Königin in Schweden solle gestorben sein, es continuirt 0095aber nit. Wegen des 9ten electorat, weil dero Liebden es also finden, das 0096beßer ist, noch den titul nit zu geben, lasen sies dahin gestelt 0097sein, vnd werden dero Liebden dise sach hoffentlich also menagiren, wie 0098es zu der ehr gottes, dem gemeinen besten, auch ihr Mayestät vnd 0099des haus besten, auch ihr Mayestät reputation, in dem sie schon in diser sache
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0100so weit impegnirt seint, nit leiden zu laßen vnd die 0101übrigen cuhr vnd fürsten suchen bey zuebringen. Ich glaub, wan dero Liebden 0102Hanouer representiren werden, doch in höchster geheim, das sie, 0103wan sie ihm den titul geben, nit mehr so vill bey der 0104sach wurden duen können, hirendtgegen sich offeriren, bey denen cuhr 0105vnd fürsten die sachen suechen zum verlangten zwekh zu 0106brengen, doch mit vohrbehalt der conditionen so woll 0107wegen der religion als kron Behmen, so wirt ers nit 0108übel nemmen, iah dero Liebden mehr obligirt bleiben. Leztlich 0109wegen der neutralität, so versicheren sich dero Liebden, das in statt das sie 0110wurden vermeinen dero landen zue saluiren, selbige 0111völlich verlirn wurden, dan wan die franzosen sie gleich 0112anfenglich verschonen wurden, so wurdens hernachgehns, 0113wan sie ihren intent ereicht haben wurden, ihnen 0114alles wekh nemmen. Sie sehen iah deren exempel gahr 0115zu vill wie das sie kein wort halten vnd wie sie 0116alle tractiren, auch die ihnen zum meisten dienen. Es ist 0117zwar wahr, wan gott nit den streich hette gedahn, das 0118mit derschlacht, obwollen sie das felt erhalten, danach ihr 0119armee in solchen standt gesezt, das disiahr niks 0120mehr operiren können, wie es ihre eigne intercepirte
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0121brif ausagen, das dero Liebden landen in große gefahr wehren 0122gewest, aber wans sies auch, das gott verhütten 0123wolle vnd wirt, solten verliren nach dem exempel des Herzog von Wirtenberg, so wurde doch nie 0124kein friden geschloßen werden, woh ihnen nit solches müße 0125restituirt werden. In contrario, solten sie die neutralitet 0126antretten, wurdt sich niemandt drumb anemmen 0127vnd Frankhreich ihm machen wie allen andern, die er 0128bedrogen hatt. Gottlob, im Reich seindt sie auch wider 0129zurukh, vnd hatt gewiß der Morgraf sich einen großen 0130general erzeigt, das er es dazue gebracht, doh sie 0131doch so vill sterker waren vnd ihme kein schaden haben 0132zuefüegen können. Gott hatt dises gedahn, dem haben 0133mihr darumb zue dankhen vndt zu bitten, das 0134er vns verners wolle beystehn. Mit disen due ich 0135mich dero Liebden befehlen vnd werde sterben 0136dero Liebden 0137getrewste schwester 0138Eleonora 0139Fauorita den 16 august 01401693