Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1705.06.16
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 45/7
Ausfertigungeigenhändig
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000216 junij 17050003Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerliebster herr bruder 0004Biß dahto hatt mihr mein große billigste bedrüb- 0005nuß nit zuegelaßen, dero Liebden auf dero schreiben alle 0006ausfürlich zu antworten, vndt falt mihr noch 0007sehr schwehr, dan meine augen zimlich verderbt vnd 0008das herz voller schmerzen ist, welches allein bey gott 0009trost suechen vnd finden kan, dan die liebreiche hand, 0010so die diefeste wunden gemacht, sie allein lindren 0011kan. Von überbringer dis, dem Metsch, werden dero Liebden 0012vernemmen, das mein sohn, der Keiser, vndt ich ihne 0013zu dero Liebden abschiken wollen, damit sie durch ihn nocheinmahl 0014das lezte tentiren sollen bey der Prinzessin von Anschpach, 0015dan ich doch so woll aus ihren eigenhendigen briuen, 0016so sie an die Fürstin von Liechtenstein geschriben, 0017in deren einen sie von ihr meins sohn conterfet 0018begert vnd der Fürstin das ihrige schikt, als auch 0019aus den brif, so einer ihrer vertrauten nach meinem
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0020schmerzligen verlust an ihn, Metsch, geschriben, abnemmen mueß, 0021das sie noch nit ganz auf mein sohn renuncirt vnd er 0022ihr noch zimlich dief im herzen ist. Es hatt zwar die 0023Fürstin auf dero Liebden lezten brief nit gern mehr waß in diser 0024sach duen wollen, ich ihr aber aufgedragen, das sie ihr 0025nachmahlen geschriben und das begerte conterfait geschikt 0026(welches kein prejudiz machen kan, weil es nuhr von der Fürstin 0027ist begert worden vnd sie es aus ihr geschikt), aber da- 0028bey gemelt, das sie merke, das man hier andrage, 0029mein sohn balt zu verheiraten, also sie dah, wan sie 0030noch einigen gedanken dahin hab, balt sich resoluiren müsse, sonst 0031möchte man hier auf andere gedanken fallen. Die Fürstin 0032hatts zwar nit gern gedan aus forcht, wan niks draus 0033wurd, ein andere, die es hernach werden möcht, es ihr 0034übel nemmen könnte. Ich habe ihr aber disen scrupl benommen 0035mit dem, das sie es nit aus sich, sondren aus 0036meinen vnd meins sohns, der Keiser, befehl gedahn wie in gleichen der Metsch seinen 0037corispondenten hatt schreiben müeßen, welches er auch nit 0038gern gedahn, weder die reis über sich genommen, bis 0039man ihms befohlen hatt, das ers hatt müeßen duen. Beyne- 0040bens diser vhrsach, das sie noch zeicht daher zu verlangen, 0041zum andren weil mein sohn sich sehr bedrüeben wirt,
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0042wan niks draus solt werden, dan er zimlich vernart 0043auf sie ist vnd in disem großen leidt, welches er 0044wie billich vnausschprechlich empfinden wirt vnd 0045ihm zu diefest ins herz dringen wird. Wan noch dises dazue 0046kähme, förcht ich, er wurd es so zu herzen nemen, 0047das er möcht erkranken, dan er schon vohrhin, weil alls 0048dort so langsamb her geht vnd er auch dort, 0049wie dero Liebden vom Sikingen schon werden vernommen haben, 0050zimlige vnlusten ausstehen mus von seinen demestiken, 0051recht melancolisch worden, das ihn kaum haben können 0052aus dem zimer bringen, sich einwehnig zu diuertiren. 0053Solt iezt das doppelte leid dazu kommen, wurd 0054es gahr übel sein. Also haben mein sohn, der Keiser, vnd ich gemeint, 0055dis leztere noch zu tentiren, das dero Liebden den Metsch noch 0056einmahl solten hin schiken, ihme meinen vohrigen vnd 0057den hierbey kommenden brief mit geben, wie auch 0058einen, den der Keiser dero Liebden zu diser intention schreiben 0059wirt, das er ihrs zeigen kann, damit sie keinen zweifl 0060mehr an der sicherheit haben können, dabey aber die 0061entlige resolution begeren, weilen man nit langer 0062meins sohns vermehlung auf schieben könne vnd 0063widrigen fals sich auf ein andere bedenken müeste.
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0064Die obgedachten brif solle er woll zeigen, aber nit aus henden 0065geben, sondren dero Liebden wider mit der Prinzessin resolution zu rukh 0066brengen, so duet man auch niks hasardiren sich zue 0067prostituiren, wan man ihr die brif nit in henden 0068last, auch keine copei dauon geben oder machen laßen duet. 0069Solt hernach wider verhoff die resolution nit nach 0070wuntsch ausfallen, wurde mein sohn doch sehen, 0071das man alles eüsriste tentirt hatt vndt sich 0072desto leichter dem göttligen willen conformiren. Ich 0073hab auch dem Bischof von Rab geschrieben, das er auch noch 0074ein brif mit geben solle, helf, was helfen kan. Ich laß 0075vnterdeßen überall betten vnd hoff, mein Keiser sehlig wirt 0076im himmel betten, das gott es wolle schiken, wie es zu 0077seiner ehr vnd meins sohn besten ansehl vnd leib 0078sein wirt, amen. Wegen der Bouuerman wirt kein bedenken sein, 0079das man ihr das absolutorium verschpricht. Wegen der achts 0080erklerung hab mit mein sohn geredt, welcher, in dem 0081er erst die regirung antritt, ein so wichtiges werkh 0082consultirn wirt vndt dero Liebden mit nechsten ein antwort 0083schreiben. Wegen des reichsvicekanzler ist die sach auch iezt 0084in ganz ein andren standt, in dem der Sinzendorf nebst 0085dem Seiler Hoffkanzler worden, würdt mein sohn nit woll 0086dem Curfürst von Mains sein erste bitt abschlagen können, 0087vnd könten sich dero Liebden ohnmaßgeblich auch bey ihm ein meritum
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008816 junij 17050089machen, wan sie die sach auch vohr den Schönborn bey meinen 0090sohn reccomendiren. Der Fratislaw ist böhmischer Kanzler worden, 0091dero Liebden werden woll duen, wan sie ihm confidenz zeigen, dan er 0092kan vill vndt gilt vill. Wegen des dumcapitul zu 0093Salsburg hab ich niks gemeldt, hab glaubt, sey beßer, 0094das dero Liebden sich nit drein meliren vnd ihnen hie mer feindt 0095machen. Den Clairmont betreffendt, so gibt es so woll 0096wegen Lüttich, weil dort den geistligen rechten gemeß es 0097einer aus dem capittul haben soll, als wegen der 0098gellerischen sach bedenken, dan der Keiser es nit gern ersezt, 0099bis er seines brudern intention drüber vernimbt, 0100glaub, er wirt derweil nuhr einen, so ein obsicht hat, drauf 0101geben pro interim, bis aus Portugal antwort 0102kommen wirt. Wegen des Eschenbrenner ist der 0103gutte Bischoff von Rab woll bedrogen worden, vndt 0104wirt mein sohn auf alleweis sehen, dem übel ab zu helfen. 0105Wegen bruder Carl seint sie iezt in der ausarbeitung 0106der tirolischen sachen, damit er balt hine könne komen, 0107ob noch der Hamilton mit wirt geschikt werden, 0108ist noch nit resoluirt. Wegen der Fürstin von Arenberg, 0109so ist die sach woll zu considerirn, sie ist ein dame, 0110die vill meriten hatt vnd großer vernunft mit
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0111einer schönen tratto, das alter ist zwar nit gahr groß, 0112vnd wie sie hier war, auch die gesuntheit nit zum 0113besten. Ich hab mich aber vnter der handt vmb etlige 0114sachen durch ein vertraute person erkundigen laßen, 0115wan ich die nachricht bekommen, werde nit vnter 0116laßen dero Liebden zu participiren. Wegen des Bischoff von Paterborn 0117wirt es kein bedenken haben, allein mues man achtung 0118geben, das nit vnter dem pretext, dem Bischof von Os- 0119nabrukh zu helfen, er vohr sich selbst es ambire. 0120Wegen der sachen mit dem Deütschmeister erwarte ich 0121mit verlangen, das dero Liebden verschprochner maßen die sachen 0122her schiken, so dan wirt ers auch schon in deßen gedahn 0123haben, damit man einmahl güttlich aus der sach 0124komme, damit es vohr der welt kein scandalum 0125sey, das zwey brüeder solche differentien mitteinander 0126haben. Dero Liebden haben mihr geschriben vmb ein protectorium 0127vohr ein gewiße von Guttenberg, dah bin ich gahr niks 0128in informirt vnd weis auch nit, was ich vohr ein 0129protectorium geben könte, das müeste iah mein 0130sohn, der Keiser, duen, also erwarte, was dero Liebden darüber 0131verners verlangen werden. Leztligen haben mich der 0132cölnische magistrat ersucht, dero Liebden zue recommen- 0133diren, das sie ihnen wolten genädig sein wegen gewißer strittich-
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0134keiten, so die statt mit dero Liebden hatt, das dero Liebden ihnen wolten in gnaden 0135nachsehen. Hab ihnen es nit abschlagen können, haben auch 0136die nünnen vnser bas von Sulsbach, denen sie auf 0137mein reccomendation ein plaz zu einer capellen 0138verlihen, mich so inständig drumb gebetten. Ich 0139du dero Liebden gar zu lang mit meinen abgeschmachten schreiben aufhalten, 0140kombt mich auch noch hart an, wie ich dan an disen brif etlich 0141dag geschriben hab, sonst hab ich leider iezt zeit genug 0142in meiner bedrüebten einßambkeit. Due mich 0143dero Liebden befehlen, die ich leben vndt sterben werde 0144dero Liebden 0145getreweste schwester 0146Eleonora 0147Wien den 16ten junij 1705