Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1708.05.15
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/9
Ausfertigungeigenhändig
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000115 maij 17080002Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerlibster herr bruder 0003Ich kom ganz schamroht vmb vergebung zu bitten meins 0004langen stillschweigen, hab von ein zeit zue andren gewart 0005in hoffnung, dero Liebden ein gutte nachricht wegen der Obern 0006Pfalz zu geben, welches doch gottlob jezt in gutten 0007terminis, das ich verhoffe, dero Liebden balt werden völlig 0008consolirt werden, wie dero Liebden vom Diemantstein 0009vnd Wißer werden vernommen haben. Jezt aber 0010bin ich vom Fürst Lamberg ersucht worden, dero Liebden 0011dise copij eines billett, so er von mein sohn, 0012dem Keiser, bekommen, zue überschiken, weilen dan 0013die 4 ämbter zu der Oberen Pfalz gehörich 0014vnd er auch vernommen, das dero Liebden das Leichten- 0015berg verlangen. Also wolle er doch gahr niks wider
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0016dero Liebden duen wolte , sondren alles aus dero gnaden erkennen 0017will. Bittet also ganz vnterdehnig, ihme eins von disen beden 0018gnaden zue vergunnen oder ein equiualent dauor 0019gnädigst zuekommen zu laßen. Ich hab es ihme nit 0020abschlagen können, wie sich dero Liebden in dißen coniunc- 0021turen woll einbilden können. Es wirt villeicht der 0022Diemanstein dero Liebden auch darüber geschriben haben, mit 0023dem er auch daraus gerett hatt, der so woll 0024als der Wißer glauben, dero Lieben werden ihm ender Leichten- 0025berg laßen vnd hernach von ihm wider abhandlen, 0026als die andere ämbter. Mein wenig meinung ist, dero Liebden sollen 0027sich mit der antwort nit übereilen, sondren ein 0028weil gahr nit mihr antworten, hernach gutte schöne 0029wort, aber niks positius, bis die belehnung der 0030Obren Pfalz geschen sein wirt. Alsdan wirt sich hirüber 0031beßer tractiren laßen vndt er alles mehrer als 0032ein gnad von dero Liebden erkennen mues. Indeßen ist mein 0033Königin abgereist, vnd so vill ich nachricht, geht 0034die reis noch woll, gott geb weitters sein gnad. Woh
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0035sie hinn kombt, wirt sie von allen geliebt vnd gelobt. 0036Gott gebs, das sie balt zu dem ihrigen, von dem ich 0037schon lang ganz keine nachricht hab, kommen möge. 0038Weil heündt die zeit etwas kurz, hoffe balt 0039dero Liebden mit der verlangten zeitung zu erfrewen vnd 0040so dan mehres zu schreiben, die ich leben vnd sterben werde 0041dero Liebden 0042getrewste schwester 0043Eleonora 0044Wien den 15ten maij 1708 0045Jezt gleich empfange ich beyligenden zettel vom 0046Reichsvicekanzler. Due dero Liebden dazu von herzen gratuliren, 0047vndt wirt mit den bömischen auch gahr balt 0048seine richtichkeit haben. Er Reichsvizekanzler hatt in 0049dißem wie in allem andren seine trewe deuotion 0050gegen dero Liebden vnd vnser haus erzeiget. Der Diemantstein 0051hatt zwar einige widrige meinung gehabt, aber sich 0052gewißlich geirrrt, dan ich in allzeit gahr eifrich 0053zu dero Liebden dinst gefunden, das er dero gnadt vndt 0054erkantnus woll würdich ist.