Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1708.01.21
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/9
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerlibster herr bruder 0002Vohr erst bitte ich dero Liebden vmb vergebung wegen meines 0003langen silentio, so herkommen, das ich mich auf wehnig 0004dag etwas retirirt, so dan hernach so vill in Schpanien 0005zu schreiben gehabt, das vnmöglich hab kleken können, 0006dan die überhaüfte audienzen vnd einrichtung der braut 0007ihrer reis darzu kommen seindt, welche könftigs 0008monat abreisen solle. So dan sage dero Liebden schuldigen 0009dankh vndt bleib ihnen vnendlich obligirt vohr die gutte 0010wuntsch, so sie mihr zum newen iahr vndt 3 konig dag 0011haben duen wollen. Dis wär in disen leben vohr mich ein 0012trost, wan ich zu dero satisfaction etwas contribuiren 0013könte, vndt mueß ich bekennen, das neben meinen 0014ohne dis sich däglich heüffenden afflictionen mich dero Liebden 0015mißvergnügen wegen der antwort, so man ihnen wegen der 0016Obren Pfalz geben, schir gahr hatt zue boden geschlagen,
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0017in dem ich dardurch das ganze sistema vndt verhoffende 0018gutte könftige campagne in der grösten, jah sichren verderben 0019sehe, mein armen sohn in Schpanien völlich abandonirt 0020vnd verlohren vndt also dises haus, meine kinder, 0021alle die religion vndt ganze christenheit überdenhaufen. 0022Ich mues zwar woll bekennen, das dero Liebden einige vhrsach 0023gehabt, sich zu beklagen, das die sach so lang sich verweilt 0024hatt, aber die lezte antwort haben dero Liebden gahr nit genommen, 0025wie hier die intention. Man hatt ihnen nuhr representiren 0026wollen, in was gefahr das totum komme, wan der König in 0027Schweden wegen diser vhrsach brechen solte, vndt vermeindt, 0028das dero Liebden selbsten dis erkennen vnd auf mittel bedacht sein 0029solten, dises abzueleinen, nit aber, das ein einziger 0030gedanken währ geweßen, wie man ihnen durch ein vngegrünt 0031diceria hatt wollen persuadiren, das man hier nit gedacht sey, 0032dero Liebden zu consolirn, oder die sach auf die lange bankh 0033bis zum friden schieben wolle. Bitte dero Liebden, vmb gottes willen 0034solchen geschwezen nit zu glauben, wie sie dan versichert 0035können sein, das, nach dem iezt scheindt von Schweden nit so 0036vill gefahr zu sein, das man hier dazu duen wirt vndt ich 0037auch fleisich andreiben werde. Glaube das es guett wäre, 0038wan sich die alijrten interessiren wegen Schweden vnd etwan veschpregen die
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0039guarantia. Das ist aber wider nuhr mein einfall, das dero Liebden 0040es etwan nit wider nemmen, als wolt man darauf warten 0041oder dardurch ein verlangerung suchen. Mein sohn hatt befohlen 0042die sach vohrzunemmen, welches bestes geschen wirt vnd der anfang 0043schon gemacht worden mit der bömischen canzley. Andreiben werd 0044ich gewislich vndt hoff, das es gahr balt werd ausgemacht 0045werden. Allein bitt ich dero Liebden, vmb gottes willen die gefaste 0046resolution wegen zurukch behaltung dero troupen fallen 0047zu laßen, mihr haben gewiße nachricht, das der Villars 0048vnfahlbar wirt könftiges monat in Beyrn einbrechen. 0049Wan dero Liebden ihr troupen zurukh halten, wirt der Curfürst von Hanouer 0050nit ins felt gehen, der Villars wirt kein einzige 0051widerstand finden vndt alles vntter vnd über gehn. 0052Dero Liebden haben disen krig mitt solcher generositet angefangen 0053vnd bis dato continuirt, mein sohn in Schpanien ist innen 0054alles schuldich vnd mihr alle. Sie werden iah jezt, dah 0055es zum lezten nachdrukh kombt vndt von diser cam- 0056pagne alls dependirt, iah nit ihr handt abziehen. 0057In was consternation ich bin, kan ich nit beschreiben, 0058dan wan das ist, so ist alles verlohrn. Hoff zwar, dass mein 0059leben so auf dise weis nit lang mehr dauren kann, 0060werde ein mahl meins schmerzen ein ende machen, aber damit 0061ist dem publico, der religion vnd der ganzen christenheit
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0062nit geholfen vndt werden dero Liebden mit mein cuhr vndt disen 0063erzhaus allezusammen verlohren gehen, oder die monarchia 0064uniuersale an Frankhreich oder die römische cron in 0065vncatolische hendt geraten. Ich bin versichert, wan dero Liebden 0066mein bedrüebts herz sehen könten, aus der lieb, so ich 0067bis dahto allzeit von ihnen geschpürdt hab, wan sie 0068auch alle die obgedachten rationes mit consideriren 0069wolten, sie wurden sich meiner erbarmen vndt eine beßere 0070resolution vaßen. Sage dero Liebden nochmahln vnentligen dankh 0071vohr die troupen, so sie mein sohn geschikt, sie seint entlich 0072abgesegelt, gott geb ihnen glükh. Aber dis ist nit bastant, 0073wan nit balt ein großrer sucurs nachkombt 0074vnd große diuersion überall gemacht wirt. Bitte, dero Liebden 0075wollen auch cooperirn, damit die alijrten so woll balt 0076die mittel dazu verschaffen als auch die flote zu- 0077dern so woll als der braut transportirung, sonst 0078wirt sich mein sohn in Schpanien nit manteniren können. 0079Ich förcht, sie werden stuzen, weil Prinz Eugen nit geht, hoff aber, 0080das sie erkenen werden, das der Starenberg auch dis woll 0081wirt duen vnd es beßer ist, das der Prinz hir in der nähet 0082bleibt, die direction in allem zu füren. Wegen des Groß 0083Herzoch du ich, was ich immer kann, vnd werd es 0084auch noch duen, wenigst wan auch niks anderst wurd
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0085richten können, hoff ich doch, das auf dises eingetrettene iahr 0086die sach gahr leidentlich wirt eingericht werden. Due doch 0087nit vnterlaßen, noch eifrigst das übrige zu solicitiren. Bin 0088iezt wegen des lieben fasching ein weil nit bey mein sohn 0089gewest, werd aber morgen oder übermorgen wider die 0090sach dreiben. Was dero Liebden wegen vnser brudren Carl proponiren 0091auf Meiland oder Neapoli, bekenne ich dero Liebden, das ich es0092auf keine weis conuenient, weder vor mein sohn 0093weder vohr mein brudren selbsten, finde aus villen 0094vhrsachen, die allzulang zu schreiben valleten, vnd dero Liebden 0095selbsten, wan sie die sachen woll überlegen vnd bedenken, 0096werden finden werden. In dem gouerno, dah er iezt ist, 0097steht er wohl, vermein, er soll dabey verbleiben vnd 0098nit alleweil was anderst verlangen, dan gewißlich die 0099sachen leider dorten in solchen schlechten standt vnd so wunder- 0100lige köpf, das er schlechte ehr aufheben wurde. 0101Über dis wie auch den hersigen standt werd einmahl 0102ausfürlich schreiben, dan izt zu schpaht ist. Wegen des Monsignore Piazza 0103vnd römischen sach kan man hir nit woll einigen passum 0104duen, so lang ihr Heiligkeit mein sohn nit als König er- 0105kenen wollen, der gleichwoll izt Napoli besizet vnd auch 0106in Schpanien den fus hatt. Leztlich hatt mich der Letiski vnd
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0107vnd Heimmenberg, der gutte alte diener, haben mich gebetten, 0108dero Liebden zu recomendiren, mit dem Letizki werd selbsten 0109schreiben. Hab dero Liebden schon gahr zu lang mit meinen bedrübten 0110vnd abgeschmachten zeilen aufgehalten, due mich ihnen befehlen, 0111die ich lebe vnd sterbe 0112dero Liebden 0113getrewst schwester 0114Eleonora 0115Wien den 21ten jener 1708