Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1707.11.05
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/9
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzalerliebster herr bruder 0002Dero Liebden werden mihr nit übel nemmen, das ich den Neßelraht vmb 0003ein dag langer aufgehalten, in dem er erst gestren von Keißer 0004abgefadigt worden, alwoh ich in jeziger andacht wochen noch dazu 0005vill mit audienzen bin geplagt worden, also vnmöglich zeit 0006gehabt, ihne gestern abzuefertigen. Also komme, dero Liebden schuldigen 0007dankh zue sagen vohr alle lieb vndt vohrsorg, so sie mein sohn 0008bezeigt, eine so vollkommene gemahlin ihme zu beglickh- 0009sehligen, warfohr nit allein er, sondern vnser ganzes haus dero Liebden ewich 0010obligirt sein wirt. Ist mihr gahr leid, das die gelegenheit nit 0011geben, das dero Liebden sie selbsten gesechen hetten, die ein fraw, die hoffentlich mein 0012son ganz glükhlich machen wirt vnd däglich so woll in der gestalt 0013als andren schönen qualiteten zuenimbt. Wolte gott, das sie nuhr 0014balt bey ihm währ vndt mihr balt mit der so nötigen sucession 0015consolirt werden möchten. Dero Liebden wollen auch den alijrten cooperiren, damit 0016balt der transport eingericht werde vndt sie von hier ab- 0017reisen könne, mein sohn verlangts instendig. Ich bin zwar 0018jezt wegen seiner in großen sorgen der belegerung Lerida
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0019halber, das etwan der soucurs zue schpaht kommen möge, vndt solte 0020dißes verlohren gehn, können sie ihn in Barcelona aushungern. Ich 0021bin dero Liebden vnentlich obligirt, das sie ihre troupen beordert haben, hinüber zu 0022gehen, gott gebs, das sie atempo kommen. Man sagt, sollen hochst 4000 0023sein, ich hoff aber, dero Liebden werden meinen lezten schreiben nach die souplierung wenigst 0024biß auf 5000 anbefohlen haben. Es verlangt mein sohn mehre keiserlige 0025troupen vnd woh möglich den Prinz Eugen selbsten, dan wan sie den 0026krieg in Schpanien nit offensiue füren können, werden sie alzeit ver- 0027liren. Man glaubt hier, das, wan man auch noch was aus Italien 0028zien könte, wurde es notwendig sein, ins Reich solche wie auch 0029den Prinzen zu schiken. Alle dißer sachen wirt der Fratislaw mit denen 0030allijrten, dero Liebden vnd den Curfürst von Hanouer aiustiren. Wer woll zue wünschen, 0031das dißes könte geschen, dan sonsten schwärlich der Könich sich wirt in Schpanien 0032manteniren können. Mitt dißer occasion könte auch die braut hinüber 0033gebracht werden, die er so instendig verlangt, vndt auch wegen 0034der so nötigen sucession kein zeit zue versaumen ist, dan man 0035schon den effect siehet, was die geburdt des Duc d'Anjou seines 0036sohns auswirket. Indeßen werden dero Liebden schon vernommen haben, was dahir 0037alles passirt ist vndt das wenigst pro nunc das dominum 0038des Cardinal Lamberg vnd Fürstenberg ist verhindert worden. 0039Jezt mueß man arbeiten, damit ins könftige nit wider etwan 0040so vnuersehens als der newgebachne Fürst dißes widerumb 0041gah möchte heraus kommen, sondren die sachen auf ein gouerno 0042von erligen vndt gescheiden leütten sehen einzurichten. Der Windischgräz
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0043hatt sich in diser sach woll gehalten, das er den Fürsten lieber nah zue 0044bleiben, vmb dißes übel zu verhüeten. Der erlige liebe Trautsam, 0045könen dero Liebden erachten, wie er mortifficirt wahr zu sehen, wie falsch 0046alle dise leüdt mit ihm vmgangen vndt ihm ein solche 0047prostitution wahre geschen. Der newe Fürst hatt in disen allen gezeicht, 0048das er kein verstandt, wehniger conduit, weder erlichkeit noch 0049gewißen hat. Man mueß aber derzeit dissimuliren, vndt ist vn- 0050möglich, das dise sach so dauon kom, sondren wirt vohr sich 0051selbsten zeruallen, dan gott über alle ist. Bitte dero Liebden, gleich dises 0052zue verbrennen, damitt es keinem menschen in der welt 0053möge innen werden. Wan dero Liebden jezt hir währen, wurden sich ver- 0054wundern wie alles verendert ist. Wegen Neapoli ists iezt 0055wider stiller vndt ist mein ganzer trost, das mein sohn, der König, 0056die sag gahr woll capirt vndt hoffentlich nie darein consentiren 0057wirt. Wegen der heirat vnsrer bäschen hab ich gahr gern das odium auf 0058mich genommen, dan ich vom König in Preüßen keine lehen zu 0059empfangen hab. Mit Sulsbach wirt es beßer sein, doch mein ich, 0060soll man sich nit übereilen, weil man nit weiß, was etwan 0061vohr occasionen sich ereignen könten. Ich hab dem Herzoch vnter 0062der handt insinuiren laßen, das er bey den arbitrium auch seine rationes 0063vohrbringen möge. Wegen der Obren Pfals due ich die sach eifrig 0064dreiben, der Keiser vndt ministri seint woll intentionirt, 0065die differenz mit dem Fürsten vndt das der Konig von Schweden noch so 0066naht an Schleßien bleibt, macht einige difficulteten, so hoffentlich
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0067balt wirt können superirt werden. Dero Liebden können versichert 0068sein, das an meinen eifer nit ermanglen wirt, 0069ich kan nit anderst sachen, als das alle minister 0070woll intentionirt sein. Es hatt halt auch diser 0071crisis mit dem Cardinal vnd Fürstenberg in disen 0072wie in allen andren angelegenheiten gemacht, das nit vill geschen, 0073dan es hat sich niemandt der sachen recht angenommen. 0074Der Fürst wolt niks mehr duen, hatte resignirt, dise 0075andre wolten den erligen Trautsam seinem verschprechen 0076gemäß draus schpilen, bis entlich die sachen gottlob 0077izt in disen standt ist. So werd darob sein, damit 0078das werkh aufs newe an allen orten incaminirt 0079werde. Der Sinßendorf ist auch etwas beßer, 0080wiewoll noch sehr matt, hatt mich in seiner 0081ersten audienz nit übel erschrekt, ist im ganz 0082übel worden, das er schier vmgefallen währ. 0083Dero Liebden könen woll versichert sein, das ich kein 0084großer freüdt haben kan, als dero Liebden 0085interesse in allem nach mochlikeit 0086zue seccondiren vnd mihr solches angelegen ist,
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0087derowegen mihr herzlich leidt, das, nachdem wegen des 0088Großherzoch zimlich gutte disposition wahren, widerum 0089newe dissapori, so dero Liebden woll wißen werden, wegen 0090großen demonstrationen, wie auch wegen des Cardinal, gegen den Duc d'Anjou 0091die sach sehr verbittert vnd so woll bey mein 0092sohn, den Keiser, als dem ganzen ministerio exacerbirt 0093hatt. Dero Liebden können versichert sein, das ich alles 0094in der welt due vndt duen werde, alls zu 0095adousiren vnd aufs beste zu expliciren. 0096Hoffe also vndt wüntsche von herzen, mitt 0097könftiger post in dißen etwas angenehmers 0098berichten zue können, die ich bestendig verbleiben 0099werde 0100dero Liebden 0101getrewste schwester 0102Eleonora 0103Wien den 5ten novembris 1707 0104Der Neßelraht hatt mich auch gebetten, dero Liebden zu reccomendiren, 0105ime in seinen pretension oder auanecement genedig eingedenkh 0106zu sein, welches ihm nit hab abschlagen können, so hermit bestens 0107ablege. Sein vetter, der Bischoff, ist auch gahr bedrübt, in