Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1716.02.26
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/11
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtigster Curfürst, mein herzliebster herr bruder 0002Due hermit dero Liebden herzlisten dankh ablegen vohr die condolenz0003wegen dohtfall des Curfürsten von Trier Liebden, welcher allen 0004schmerzlich gefallen, der güttigste gott aber widrumb 0005so wunderlich dißen verlust ersezen duet, in dem, 0006obwollen der Deütschmeister sich weiters nichts drumb 0007anemmen wollen, gleichwoll, wie ich vernemme, 0008die postulation auf ihne per vnanimia aus- 0009gefallen sein wirt vndt dises schon von ihnen geschloßen 0010worden, noch eh der Grav Fux ankommen ist, welcher 0011dis fals vom Keißer befehl gehabt hatt. So sicht 0012man recht die handt gottes, wirt vngezweifelt 0013zu seiner hochsten ehr gereichen. Zu Rohm, obwollen
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0014der Deütschmeister schreibt, das scheint, dass man ihm die beibehaltung 0015der mainzischen coadjutoria vndt andren benfizien diffi- 0016cultirn mochte, so seindt doch alle gescheide leüt der 0017meinung, das, wan vom Kaißer die sach ihr Heiligkeit nach- 0018druklich vohrgestelt wirt werden (insonderheit bey der bulla, 0019die er bey der mainzischen coadiutoria wohl dem Deütschmeister 0020gegeben, könne es nit anderst sein, als das der Papst ihme 0021es laßen werde. Das wirt sich hernacher schon ausdragen 0022laßen, wie man es zum besten finden wirt. Indeßen 0023due dero Liebden dazu, wan, wie ich nit zweifl, sie bestendig verbliben, 0024von herzen gratuliren, gott wolle dero Liebden verners alle trost vndt 0025glukhsehlichkeiten verleyen, so sie selbst verlangen. Anizo 0026wirt vmb so mehr auf den Pfalzgraven zu dringen 0027sein wegen seiner vermählung, die schikung ist biß 0028dahin vnterbliben, weil der Keißer vohr gutt gehalten, 0029den ausgang der trierischen wahl zue erwarten. 0030Ich zweifel nit, das nach der wahl vnser herr bruder 0031werde anhero kommen, so ist des Graven Sinzendorf
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0032meinung, welches ich auch nit hab desaprobirn konnen, 0033das in solchen fall guet wäre, wan der Pfalzgrav auch hier 0034her kommen möchte, damit der Kaiser vnd mihr alle 0035ins gesambt mit dennen ministris ihme desto eifriger 0036zureden möchten, dan er meindt, mit der schikung allein 0037wurd man eß nicht richten. Solte aber wider alles 0038verhoffen die bedrüblige heimliche heirat wahr sein, wäre dis 0039alles vmbsonst, so hab vermeint, seinen beichtuatter 0040hierüber ein ernsthafften brief zue schreiben, das er 0041ihm soll vohrstellen, das er sich in disen einmahl 0042müeße erklaren, wan er nit gott, sein gewisen vnd sehl 0043in der ewichkeit, hier aber der religion, sein hauß, die gnad vnd 0044lieb des Keißers vndt lieb aller seiner geschwisterten 0045vndt angehorigen verlihren wolle, vndt dise antwort 0046noch erwarten. Ich werd herüber mit den Keißer vnd minister0047reden, wans also gutt gefunden wirt, glaub, dero Liebden werden gutfinden 0048das vmb gewinnen der zeit es gleich also ablaufen laße. 0049Die heirat mit Sulsbach geht auch langsamb her,
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0050wahr gutt, wan ein endt draus wurd, forcht eben, der 0051Pfalzgrav ziegts in die läng, die Taxerin bey hoff behalten 0052zue können. Der iünger ist gutt, das er in Lottring geht, 0053dan zue hauß er einmahl schlecht versorgt ware. 0054Vnser liebste Königin in Schpanien betreffendt, vmb 0055dero Liebden nicht mit so langen schreiben vberlestig zue sein, bezihe 0056mich auf den Siking, mit dem ich dauon ausfürlich 0057geret, vndt bestehen die difficulteten in kürze darin, das man 0058von des König Carl secondo testament, welches vngültig erklart, niks 0059reden kann, das 2 mit den Duc d'Anjou der Keiser niks tractirn 0060kan, weil noch kein frid, 3 das durch Frankreich wehnig wirt 0061zue hoffen sein, weil der Duc d'Orleans mit dem Duc d'Anjou 0062nit woll steht vndt mit ihm niks richten wirt, 4ts 0063das wan sie auch alles verschprechen, zu besorgen, das 0064wan sie solte außer landt gehen, sie niks halten werden 0065vndt der König niks geben. Ich hab in beyligenden schreiben 0066der Königin selber etwas dauon gemelt, hoff, 0067sie werde es mihr nit übel nemmen, dan ich
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0068glaubt beßer zu sein, ihr die warheit zue berichten als sie 0069mit lahrer hoffnung schpeißen, woh sie wehnig von fruchten 0070wurde. Mihr erbarmht sie von grundt meines herzens, 0071vndt kann mihr nit denken, wie vnser fraw schwester von Parma 0072bey ihrer dochter nit mehr vohr vnser libste schwester 0073aus wirken kan. Due mich auch schuldigst vndt 0074herzinniglist bedanken vohr das schöne überschikte 0075buech, vndt ist mihr dises ein doppelt freüdt 0076vndt trost, das dero Liebden nit allein meiner wehnigen 0077person eingedenk, sondren auch vohr mein ewiges 0078heil, an welchem alles ligt vndt ohne welche 0079alles andere niks ist, sorgen wollen. Bitte dero Liebden noch, 0080mihr dise lieb darbey zu erweisen, den liebsten gott vohr 0081mich zu bitten, damit ich mich deßen so nuzlich gebrauchen 0082vnd die dorinnen enthaltene lehren bewirken möge, 0083damit ich ihme hier nit beleidigen, sondern gefallen vndt 0084dort ewich loben möge. Wirt mihr allzeit ein
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0085ein freüdt vnd gnade sein, wen dero Liebden mich mit dero andren 0086einiger bücher beglükhen werden, die ich nuhr wuntsch als nuhr zu wisen, 0087mit was ich dero Liebden auch einige angenems erweisen könte. 0088Wegen Limburg scheindt, die holländer begreifen sich 0089algemach beßrer, vndt das die sach mit allerseits 0090vergnügen zum effect werde können gebracht 0091werden, welches mich von herzen erfrewen wirt, die de- 0092putirte werden nichts darin verhindern können. Ich 0093aber werde leben vndt sterben 0094dero Liebden 0095getrewste schwester 0096Eleonora 0097Wien den 26ten februarij 1716