Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1711.08.26
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/10
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerlibster herr bruder 0002Mitt dißen eignen courir empfange ich dero liebstes 0003schreiben vom 17ten dis, wahrinen ich mit absonderligen trost 0004dero wohlstandt vernommen, dan dis allein in meinen 0005beschwerten standt mihr einige kraft geben kan. Bin dero Liebden 0006vnentlich obligirt vohr die bestendige lieb vndt 0007das vertrawen, so sie gegen mich erzeigen. Was des Konig 0008in Polen intentiones betrifft vndt sich disfalls 0009bey der wahl ereignen möchte, in deme verlaße 0010ich mich völlich auf dero Liebden brüderlig vndt vätterlige 0011lieb vndt vohrsorg, das sie nit allein in disen, 0012sondern in allen andren alles das ienige bedenken, was zu 0013einigen nachdeil meines sohns, dises erzhaus vnd den 0014gemeinen besten gereichen möge. Ich hab nachricht, das 0015der Konig in Polen alles angewendt, den Curfürst von
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0016von Trier zue persuadiren, dem Monsignor Albani die erste 0017visite zu geben, welches er aber nit erhalten. Dißer 0018rüembt sich sehr, was er vohr demonstrationes dorten 0019empfangen, der König ihme lainseßell vndt die menge 0020distinctiones, so mihr zu vill zu schreiben vndt auch 0021nit bey fallen, gemacht habe, also die nachrichten von 0022Rohm, so dero Liebden mihr überschikt, nit ohne grundt scheinen, 0023vndt scheindt, dass alles angewendt wirt, von dorten secondirt 0024zu werden. Ich verlaß mich aber auf dero Liebden gänzlich 0025vndt hoffe auch, das die übrigen dero mittcurfürsten 0026sich in disen woll vohrsehen vndt gahr nicht ein- 0027lasen werden, der allerhochste wolle sein gnad verleyen, 0028damitt dises wahlwehßen zu seiner ehr vnd dem 0029gemeinen besten zu baldigen gutten ende gelangen möge. 0030Vndt gleich ich dißes ohne dero Liebden gegenwart nicht 0031verhoffen kann, also dero Liebden zwar aus meinen heüntigen 0032canzley schreiben mitt mehren ersehen, wie sehr mihr 0033ihr wegen des mit der königlich bömischen gesantschafft 0034zue halten begerenden cerimonials abgelaßenen 0035schreiben zue herzen dringet, vndt in was angst ich
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0036dardurch gesezt. Es ist vnbeschreiblich, wie hart mich an 0037kommet (wan jah das gemeine vnheil nicht anderst 0038zu verhüetten wäre), in meines gelibsten sohns, des Königs, 0039abweßenheit auf meine verantwortung einen schluß 0040zu machen, welcher ihme so prejudicirlich vndt mihr 0041übel gedeüt werden könte. Habe also dises alles dero Liebden 0042nachmahlen mitt bedrangtisten herzen widerholen wollen 0043vndt aus wahren inkligen vertrawen gegen meinen englischen0044papa, welche mich in disen meinen bedrüebten vndt schwären 0045standt allein trösten können, dero Liebden von newen instandig bitten, 0046die von mihr gedahne gründtlige vohrstellung etwas 0047in dero brüderligen herzen gelten zu laßen, also ihre 0048vohrgehabte reiß nacher Frankhfort vortzusezen 0049vndt zue beschleünigen vndt mitt der bömischen gesantschaft 0050es beim alten zu laßen oder wehnigst selbe von 0051abstattung der visite (welche ohne dis mitt 0052dem wahl weßen ganz keine gemeintschafft 0053hatt) zue dispensiren, also mich der großen angst, 0054welche ich nicht genug beschreiben kann, die ich haben 0055wurde, wan es zue dem übeschribenen lezten schluß 0056geraten solte, zue erlößen. Ich due mich deßen
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0057gänzlich auf die von dero Liebden mihr allerzeit so absonderlich 0058bezeigte lieb getrösten, gleich ich mehr mitt dem herzen als 0059der feder dero Liebden versichere, das dißes mehr als nichts anderes 0060meine schwäriste, iah fast vnerdräglige last erleüchstern könte, 0061ich auch dero Liebden daruohr meins geliebsten sohns ewige absonderlige 0062erkantnus versichere, ich auch mitt ihme alle gelegenheiten 0063suechen vndt mit freüden emplectiren werde, dero Liebden vndt vnser 0064ganzes cuhrhauß solches im werkh zue erweißen, ich 0065aber biß in mein grab vnuerenderlig verbleiben 0066werde 0067dero Liebden 0068getrewste schwester 0069Eleonora 0070Wien den 26ten august 1711 0071Bitte dero Liebden, dißen brif an 0072Sinzendorf bestens zu befördern, ist darinnen 0073die erlaübnus vom Konig, hier her vndt so dan 0074ihme entgegen auf Meilandt zu kommen, 0075damitt er dero Liebden noch zu Düßeldorf antreffen 0076vndt dero befehl empfangen möge.