Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1711.03.08
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/10
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerlibster herr bruder 0002Aus dero liebsten schreiben vom 21ten jener erseh zue meinem 0003trost nebst dero erwünschten wollstandt die bestendige 0004affection gegen mich, so ich mich befleißen werde alzeit 0005mehr zu meritirn. Bedankh mich auch, das dero Liebden so 0006großen deil nemmen in allen, was mein sohn in Schpanien 0007betrifft, vndt auch so sorchfältig sein, damitt 0008er balt vndt namhafft möge succurirt werden, 0009welches woll die höchste noht ist, wan man nit 0010alles will laßen verlohren gehen, gott gebes, das a 0011tempo kommen möge vndt nit postfestum. 0012Mues bekennen, das ich woll in sorgen bin, hab 0013allein mein vertrawen auf gott, von deßen dispo- 0014sition alles mitt schuldigster resignation anzu 0015nemmen ist, dan er nit fählen kan, vnd was er duet
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0016allezeit das beste ist. Man erwart daglich die flota zu 0017Genua, die troupen zu transportiren, förcht aber, wirt 0018alles nit kleken vnd schpaht kommen. Aus Portugall hab 0019ich auch schon schier 2 monat keine brief, man sagt 0020schwierige zeitungen vnd das sie gahr doht, mues alles von 0021der handt gottes erwarten. Den Baldini betreffendt, ist 0022woll gahr nit, das ich einzige puntillir oder verschmag 0023hette, das sie nit egenhendig geschriben, sondren das gewißlich 0024so woll mein als des Kaißer vnd Kaiserin poscriptu vns allen 0025vohrkommen, das es mehr ein nachgemahlene als eigne 0026handt ist, vndt haben mihr auch nit glauben können, 0027das sie einzigen zweifl haben solle, das bede 0028meine söhn vohr allen auf ihr beste versorgung 0029denken werden vndt sich selbiges mer als eignes interesse 0030angelegen sein laßen. Das mihr auch ihr Obersthoffmeister 0031sehr suspect, ist woll mitt gutten fundament, dann 0032er einmahl des Balbazes sohn, welcher mitt seiner 0033ganzen famillie allzeit franzosich gewesen vndt vill 0034an dem schönen testament vnd allen disen desordres
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0035schuldig ist, darzu dißer mensch des Torsi sein leiblige 0036dochter hatt. Wie kann man dan von einen solchen sich 0037etwas guttes promitiren, in dem die franzoßen in meiner 0038schwester nie gelaßen hätten, wan sie nit seiner sicher 0039geweßen währen. Der Balbini aber selbsten ist mihr 0040darumb suspect, das er mihr selbst bestanden, er 0041hab disen Obersthoffmeister der Königin geben machen, 2 das er 0042in leztern audienz mihr gesacht, er hab lange brief 0043in ciffer von vnserer schwester bekommen, vnd sie 0044schreib ihm, das dise brief, die sie vns allen durch in 0045geschikt, durchgehns von ihre aignen handt seyen vndt 0046sie, weil sie so lang in Schpanien, disen caracter 0047sich angewehnet habe. Ich hab mich gestelt als daht 0048ichs glauben, aber wie wolt ihr einfallen, vns allen 0049schpanisch zu schreiben, vndt ist ihr handt iah vns allen 0050gahr zu gutt bekandt, zuedem, das eben ihr Obrist 0051Hoffmeister nach vnser geliebsten fraw mutter doht mihr 0052der Königin condolenz eingeschloßen vndt sein brief, 0053den er an mich geschriben, eben diese handt war, so in disen
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0054briefen ist. Der Deütschmeister ist meiner meinung, vndt 0055haben alle, zuuodrist der Kaißer, vohr gutt befunden, derzeit 0056diesen menschen zue antworten, das man alle schuldige 0057reflection auf die liebste Königin machen werde, weil 0058aber derzeit keineinzige aparenz vom fridens 0059tractaten, also könne man auch weiters nichts 0060darin duen. Er dahte auch vergebens die zeit hier 0061zuebringen, ware beßer, das er indesen wider zurukh 0062reisen dahte. Ich hab aber durch 2 andere weg tentirt, 0063vnserer Königin etlige zeilen bey zubringen, durch welche 0064man, wan es angeht, hernach in diser sach recht 0065esclairsiren kann, doch mit der grosen cautela, dan 0066man nit häklich genug gehen kan vndt leicht man 0067der armen fraw schaden könte, das sies bis in doht 0068mortificirn wurden. Das dero Liebden mein ciffer nit lesen können, ist 0069weils in eil geschriben vnd mihr gahrzuuill getraut, 0070es auswendig zue können. Die sach ist aber diße, 0071das es als übler get als nie und ich ni0072t langer so dauren kan, weil ich0073Arme in hof gar zu ser ofentlich
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0074prostituirt werden, wie es dis0075en fasching geschehen. Entlich 0076werd mussen resolviren, mich von0077hier zu retiriren. Ich due dero Liebden gahr 0078zu lang mitt mein abgeschmachten schreiben bemühen, 0079due mich in dero affection befehlen, die ich lebe 0080vndt sterbe 0081dero Liebden 0082getrewste schwester 0083Eleonora 0084Wien den 5ten feb merz 1711 0085Bedankh mich auch zu schönsten, 0086das dero Liebden dem gutten alten cammertrabanten wollen genedig sein 0087vndt consoliren.