Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1710.01.15
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/10
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerlibster herr bruder 0002Dero liebste schreiben hett ich bilich ender sollen beantworten, 0003bin aber deils wegen der heiligen zeit, zu vohr wegen vnpäß- 0004lichkeit meiner liebsten fraw dochter, der Kaiserin, vnd mein 0005enikel, dah ich ein doctorschleichtenbergerin abgeben, 0006verhindert worden. Gott lob, iezt sein alle wollauf, 0007vndt vohrgestern mit der aderlaß das übrige erst von der 0008krankheit wekgenommen, welche sich iezt wollauf befindt. 0009Was dero Liebden mihr melden von dem, so der Neßelrat 0010solle beim Großherzoch angebracht haben, hatt der 0011Keiser noch ministiri niks wißen wollen, sondern das von 0012andren woll dergleichen, aber nit vom Großherzoch sey 0013vernommen worden. Ingleichen hab ich niks gehört, das 0014man sich hier formalisirt wegen der nit gehaltenen 0015illumination zu Rohm, solte aber etwas vohr
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0016kommen solt, werde nit vnterlaßen, die mihr überschikte 0017vhrsachen zu produciren, hab glaubt beßer zu sein, dermahl 0018niks zu melden vmb dasienige, warauf man etwan 0019selbsten nit gedenkt, nit zu erweken. Waß die heirat 0020meiner mamb betrift, hab ich vohrmahls dero Liebden überschikt 0021die antwort vnserer schwägrin, welche positiue sagt, 0022das niks dran sey, sie auch ohne hiesigen hoff vohrwißen 0023vnd aprobation niks vohrnemmen wolle, doch bey der 0024erfahrung ihres eigensinnigen humors ist alles zu befahren. 0025Das man das kint solle von ihr begehren, förcht ich, 0026wirt sie refusiren, mit gewalt weg zu nemmen macht 0027gahr zu großen rumor vnd wär großes prejudiz vohr 0028sie vnd vnser cuhrhaus, iah auch wurd es der Großherzoch 0029etwan nit guett finden. Mihr ist eingefallen, das leicht- 0030tiste mittel sey, hier zu verhindern, das man 0031in nit zum Fürsten macht, welches ich hoffe zu 0032erhalten, so lang bis man nit gesichert ist, das 0033aus der heirat niks werde, dan hiesiger hoff 0034eben so vngern dißen vettern haben wurde. 0035Was meiner libsten schwester von Parma schreiben betrifft,
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0036ist es woll wie dero Liebden gemelt, das nuhr der mangel 0037der zeit daran vhrsach, das ihr nit offter schreib, hab ihr 0038zwar lest geschriben durch ein heimligen weg vnd mit dißer 0039occasion proponirt, das, im fall der Don Francisco von 0040Portugal ein gedanken auf ihre dochter schöpfen wurde, 0041etwan kein korb zu erwarten seye, dan höchst nötig 0042ist, dißen herrn zue verheiraten mit einer solchen prinzessin, 0043die mitt meiner dochter in gutter verstäntnus 0044seye. Man hatt zwar vill von sein üblen humor 0045geredet, aber mein dochter versichert mich, das er 0046ganz anderst vndt sie kein bedenken hette, wan nit 0047andere considerationes, das, obwollen er ein großer herr vnd 0048nach sein decoro leben kan, gleich woll ein cadett, den man 0049nit pflegt töchter von hisigen hauß zu geben, sie selbsten erachtete, 0050im mein dochter Maria Magdalena zu concediren. Dero Liebden werden 0051etwan auch ein gutte colect einlegen können, doch ist 0052nuhr so vill damit ichs proponiren könne, dan ich 0053mihr keine trawe zu proponiren, dauon ich ein 0054korb zu förchten hette. Dise sachen mus also in höchster 0055geheim bleiben, weil man nit wißen kan, ob ers reusirt,
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0056wirt aber also menagirt werden, das man dorten niks wirt 0057wißen, ob sie consentirete oder nit. Was die Konigin, vnser 0058fraw schwester, anbelangt, ist zwar war, das zu vohrigen 0059preliminair niks von ihr gemeldt worden, haben aber 0060alle gesacht, das man nie die preliminair geschloßen, 0061bis nit vorderist sie vnd so dan alle gefangene 0062erlediget worden wären, also gewißlich diser punct 0063vohr allen wirt considerirt vnd ausgemacht werden. 0064Jezt aber scheindt es leider, das mihr so weit 0065vom friden, das noch woll zeit, auf das sub- 0066jectu zu gedenken, welches dorten in nahmen der 0067Königin erscheinen soll, auch ob sie einen eignen dort 0068solle haben oder bede meine söhn, Kaiser vndt 0069König, ihre causam vnd pretensionen als eigene 0070ausfürn sollen. Dero Liebden wollen dises einwenig bedenken, was 0071zu meren decoro vnser fraw schwester gereichen möchte, 0072vnd so dan dero sentiment darüber eröffnen. Das 0073subjectum betreffend kan ich nit wehniger als dero Liebden berichten, das 0074er hir wehnig estimirt vnd nit vohr das als sey
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0075ein enuoje einer Königin sein soll, ist estimirt 0076worden, dero Liebden aber werden in beßer als ich nit kennen, 0077die ich in nuhr in ein etlich andienzen gesehen, 0078also darzu niks sagen kan. Also, glaub ich, sey sich 0079in dißer sach auf keine weis zu übereilen. 0080Weil aber dero Liebden die ordre schon meiner schwester geschikt, 0081wirt sie in woll gleich citiren, damit ist die sachen 0082impegnirt. Wegen Mantua kan ich vohrlaüfig 0083dero Liebden so vill in höchsten vertrawen sagen, hoffe, in deßen werde 0084Sinsendorf sie müntlich informirt haben, das des 0085Keiser vndt des Reichs sicherheit dauon dependirt, 0086dan dis der Fürst, den das deütsche Reich in Italien haben 0087kan vnd dorten alle vnordungen zu verhütten. Der 0088Duca di Guastalla seine pretension ist, weil er vohr 0089dem haus von Niuers erb wahr vnd es pro 0090bono publico cedirt, also er nit erb, sondern 0091als vorhrhero gebürenden recht dises pretendir, dah hin 0092gegen man hir sacht, das ein fürstendum oder gutt, das 0093per felloniam caduc, dem Kaiser heim falt
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0094vnd nit schuldich ist, einigem andern zu geben. Dis 0095duet man in reichshoffraht debattirn, wan ich aber mein 0096particular meinung dero Liebden sagen soll, doch in höchsten vertrawen, 0097so ists, das diser ort vohn solcher importans vohr 0098den Kaißer vndt das Reich, das wan auch der Duca de 0099Guastalla einziges recht dazue hette, ehnder man ihm 0100anderwerts competirendes equiualent geben 0101solle, als dises aus deütschen handen zue laßen. Bitt 0102aber das secreto, dan einen weib nit in disen zu reden 0103hatt vndt laß es über, was hir der reichshoff- 0104raht vnd ministri einrahten werden. Ich glaub aber, 0105wan die cur vndt fürsten im Reich die sach recht be- 0106greifen, sie aufalle weis den Keiser einraten werden, es 0107nit aus handen zu laßen. Ich congratulie mich 0108mit dero Liebden wegen des agiustament vnd gutte ver- 0109stantnus mit Rohm, dero Liebden glauben, das mich dis 0110also erfreüt hatt, das ich alls in der welt 0111gern anwenden werde, selbiges zu cultiuiren, 0112dan ich gesichert, das ihr Heiligkeit niks als das was 0113recht vndt billich ist verlangen. Hab dero Liebden schon 0114alzu lang aufgehalten, due mich dero affection
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0115befehlen, werde so lang ich leb bestendig ver- 0116bleiben 0117dero Liebden 0118getrewste schwester 0119Eleonora 0120Wien den 15ten jener 1710 0121Postscriptum Hierbey kommen zurukh die original der Morgrauen, 0122welcher ich woll obligirt bin, das sie die nachricht 0123geben wollen. 0124Schik auch hirbey ein brif von Mascambruno, will, 0125ich soll in reccommendiren. Mich dunkt, sein nahm 0126offt gehört zu haben bey vnsern gnädigen herrn vater sehligen, und 0127das ich glaub, das er lang dient hat, ob es auch so woll, 0128glaub ich, aber weis ich nit, stelle alles dero Liebden con- 0129venienz heim, welche ohne dis keine alte diener 0130gern verstoßen, wan es nit die not erfordert.