Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg an Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Wien am 1709.07.20
Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kasten blau, 44/10
Ausfertigungeigenhändig
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0001Durchleüchtiger Curfürst, mein herzallerlibster herr bruder 0002Ich traw mir schir nit zue erscheinen, nach dem ich 0003so lang vnterlaßen, dero vnterschidlige liebste schreiben zu 0004beantworten. Ist aber die vhrsach geweßen deils der 0005abgang der zeit, in dem es disezeit her gahr vill 0006in Schpanien und Portugal zu schreiben geben, auch mit audienzen 0007sehr überloffen worden bin, welches zwar alles keine ge- 0008nugsame entschuldigung vndt nuhr mitt ver- 0009schprechung der beßerung den fäler zu ersezen 0010verlange. Empfange also dero libste schreiben vom 12ten merz, 00115ten, 8ten, 23ten maij, 5ten, 19ten junij, 6ten vnd 10ten diß, teils eigenhendig, 0012deils aus der canzley, dern auch die altesten erst iezt bekomen, 0013weil die überbringer langsamb gereist, als die lieben muem 0014aus dem clefschen land vnd der Steirstorf, so mihr bede 0015werde reccomendirt sein laßen. Vohr allen due dero Liebden
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0016schuldichsten dankh erstatten vohr alle liebreichiste expression, 0017erklärungen vndt wilfarige resolutiones, welche sie so 0018woll durch den Grav Kuefstein als Sinzendorf haben duen 0019wollen. Gleich wie ich daraus die continuation dero 0020affection gegen dißes haus wie auch gegen mein vnwürdige 0021person verschpüre, also werde dero Liebden dauohr ewich obligirt 0022verbleiben vndt in allem wie bis dato meine 0023vollige confidenz in dero Liebden sezen. Wie ich dan auch wegen 0024des herrn Großherzogen Liebden gern alles möglige ein wenden 0025werde, vndt versichre dero Liebden, das mein gelibster sohn, der Keiser 0026Mayestät Liebden, von selbsten geneigt, alles möglige zu duen. Weilen 0027aber iezt die hoffnung zum friden verschwunden vndt 0028selbiger allein von einer glükhligen compagne dependirt, 0029also versehen vns alle auf die generositet des herrn Großherzogen, 0030das er auch selbige continuiren vnd die gloire sich 0031machen, zue der algemeinen rue die lezte handt 0032mit angelegt zu haben. werd Könen aber dero Liebden versichert 0033sein, das man hir auch alles möglige duen werde.
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0034Dem Schoßberg werde auch gern zu seiner consolation con- 0035tribuiren. Wegen Rohm werden dero Liebden schon wißen, in was standt 0036die sachen sein, vndt mueß ich dero Liebden bekennen, das man 0037gar zu vill zu erkennen gibt, nuhr allerley ausfluchten 0038vnd chiccaneri vohrbringt, meinen sohn Carl nit ver- 0039schprochener maßen zue erkennen, welches auch 0040entlich hier könte machen die gedult verliren, nach dem 0041man alles möglige gedahn vndt noch duet, ihr Heiligkeit 0042zue contentiren, vndt sie selbsten, wan sie nit andere 0043absehen haben, die billichkeit in disen allen erkennen werden. 0044Wegen Münster bitte ich, dero Liebden wollen mihr nit übel nemmen, 0045wan ich ihnen mein inerste meinung offenbare, erstlich 0046ist zwar war, das der Deütschmeister eben in fall der 0047noht könte von disen wie von andren dispensirt werden, ist 0048aber hingegen auch war, das wie mehrer man sich in 0049geistligen standt impegnirt vnd ie mere geistlige gütter 0050mann genießet, das hernach vmb so vill wehniger 0051segen gottes, wan man den standt verendert. Wan man 0052iah auf etwas hette gedenken wollen, war noch leichter
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0053auf die coadjutoria zu Mains, warzu villeicht woll hoffnung 0054ware, welches ich dero Liebden in hochsten vertrawen bericht vndt bitte, 0055keinen menschen in der welt zu sagen, dah war er nit 0056mer impegnirt, geneßete auch keine geistlige gütter 0057mer als izt, vndt weil der Curfürst noch ein langes leben 0058promitirt, bleibt in vohrigen standt. Was aber an dißen 0059gelegen, wan dises reusiren könte, dem publico, disen erz vndt 0060vnsern curhaus, wißen dero Liebden von selbsten. Mit Münster wißen 0061dero Liebden, wie der Keiser mit dem Bischoff von Osnabrukh 0062impegnirt ist, vndt finde ich gahr nit, warumb er 0063alle hoffung solle verlohren haben, dazu zu gelangen, in 0064dem der Ireno, so das impedimentum wahr, von im wekh 0065ist vndt, dero Liebden vergeben mihr mein freyheit, wan dero Liebden disen Bischoff 0066nit die bullam eligibillitatis hetten zu Rohm ausgewirkt 0067vndt wären fest bliben auf den Bischoff von Oßnabrukh 0068mit rechten ernst vnd eifer, glaub ich, wär die sach danach 0069angangen. Vndt wan dero Liebden es noch werden rechtschaffen wollen, 0070so glaub ich kräfftig, das es geschen werde, vndt 0071dero Liebden werden innen dardurch das ganze haus Lattring
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0072auf ewich obligirn, auch den Kaißer, mich, auch mein 0073sohn Carl inen alle dankbarkeit schuldich sein. Wegen des 0074Wißer hab ich mich in dero Liebden disposition zwar nit zu 0075mischen, so vill aber finde mich schuldich zu seiner 0076vndt meiner exculpation zu melden, das er nit 0077mich angeloffen, dero Liebden wegen seiner zu beheligen, sondern 0078mihr nuhr die ordre comunicirt, welches er jah hatt 0079duen müeßen, ich aber, weil ich glaubt, das er dero Liebden 0080hir noch gutte dienst duen könte, weil er die ministros 0081schon kendt, den modum hier zu tractiren erlernt vndt 0082von dem gahrzugroßen eifer, so er woll anfangs etwas 0083gehabt, die hörner schon zimlich abgestoßen hatt, 0084so hab ich mich aus gutter meinung zu dero Liebden dienst allein 0085vnterstanden, meine meinung zu schreiben. Weilen es dero Liebden 0086aber anderst zu dero dienst finden, hab ich niks 0087dazue zu sagen als zue wüntschen, das sie einen solchen 0088an sein stell möchten her schiken, mitt deme sie beßer 0089als durch in möchten bedient werden. Er hatt sich
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0090dero Liebden befehl in allem zu gehorsamen. Was dero Liebden mihr 0091in dero lezten schreiben melden wegen des Cuhrprinzen 0092von Saxen Liebden, so ist freylich woll wahr, das es vohr 0093vnser religion nötig vnd erschprißlich, das dißer 0094herr in selbiger erzogen werde vndt leben, iah das 0095ich mich offt sehr verwundert, das sein herr vatter, 0096welcher doch cattolisch sein will, ihn also negligirt. Hab 0097auch schon vohr geraumer zeit seinen Pater Vota darüber 0098zueschreiben laßen, welcher mich versichert, der König August 0099werde darob sein, das er solle in in vnser religion 0100erzogen werden, also zweifle nit, er als vatter, deme 0101es obliget, werde darauf bedacht sein, das man in 0102hier erzihen soll. Bekene dero Liebden, das ich nit weis, wie es 0103anzustellen, vndt möchte woll dero Liebden gedanken darüber 0104vernemmen, bitte aber in der sach niks zu negotiren, 0105weniger zue impegniren, befohr sie es dahier berichten 0106vnd des Keisers genehm haltung darüber empfangen, 0107in deme es ein sach, die woll überlegens 0108braucht. Im übrigen due mich auch gegen dero Liebden schönstes
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0109bedanken vohr die gnad, so sie dem Blumendal 0110erweisen wollen. Wegen des ander trompetter hab ich kein in- 0111formation in der sach gehabt als was er durch sein me- 0112morial eingeben, dero Liebden aber werden duen, was recht ist, dan 0113ich kein ander intention gehabt als pro justitia zu 0114reccomendiren, die ich niks mers verlang, als in allen 0115gelegenheiten dero Liebden zu erweisen, das ich bestendig verbleibe 0116dero Liebden 0117getrewste schwester 0118Eleonora 0119Wien den 20ten jullij 1709 0120Dißes beyligende hatt mihr ein weib geben, die pretendirt 0121dißes von des Violett seiner erbschafft, dero Liebden aber werden 0122in disen wie in allem duen, was die bilichkeit sein 0123wirt, nuhr das ich weis, obs recht oder nit ist, damit 0124das weib abweisen kann.